von Vera Hierholzer
Das Frankfurter Psychoanalytikerpaar Alexander Mitscherlich (1908 – 1982) und Margarete Mitscherlich-Nielsen (1917–2012) veröffentlichte 1967 einen Schlüsseltext zur Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Mithilfe psychoanalytischer Kategorien suchten die Wissenschaftler eine Erklärung für die Entstehung und Ausbreitung des Rassenwahns und die Etablierung eines blinden Gefolgschaftssystems. Insbesondere analysierten sie den Umgang mit der kollektiven Schuld nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs. Sie diagnostizierten ein Ausbleiben einer nennenswerten gesellschaftlichen Trauerreaktion und die Unfähigkeit, sich in das Leid und die Qualen der verfolgten Mitbürger einzufühlen. Als Ursache sahen sie die starke Identifizierung der Hitleranhänger mit dem als omnipotent fantasierten Führer, dessen Selbstmord einem Trauma gleichgekommen sei. Dieses habe zu einer Derealisierung und Leugnung der Vergangenheit geführt.
Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.