SammlungenSammlungenSammlungen
Wir sind umgezogen! Bitte besuchen Sie unsere neue Homepage. / We have moved to another server! Please visit our new homepage.

In der Sammlung

Ethnographische Sammlung – Frobenius-Institut

Weitere Objekte in dieser Sammlung

Tanzmaske

Kategorien

Signatur

Oz 6200

Urheber

Augustin Sade und Samuel Golumo, Sammler: Holger Jebens

Datierung

Hoskins-Halbinsel, Papua-Neuguinea 1997

Maße

135 x 53 x 20 cm

Material

Rindenbaststoff, Holz, Bastschnur, bemalt

Drucken
per E-Mail senden

Tanzmaske

© Uwe Dettmar

Zeugen der Gegenwart

von Nina Huber

Betritt man die Ethnographische Sammlung des Frobenius-Instituts, steht man vor meterhohen Regalen, die über und über mit verschiedensten Artefakten gefüllt sind. Dazu gehören bunte Figuren, bemalte Tongefäße oder geflochtene Fischreusen und Körbe. Die etwa 6.000 Objekte der Sammlung sind in den vergangenen 55 Jahren größtenteils von Institutsmitarbeitern für Studienzwecke gesammelt worden. Die meisten stammen aus dem Bereich der Alltagskultur mit einem deutlichen regionalen Schwerpunkt auf Afrika. Der Sammelbereich Ozeanien macht nur einen kleinen Teil aus; dennoch fallen die bunten Masken aus dieser Region sofort ins Auge. Insgesamt befinden sich in der Ethnographischen Sammlung 36 Masken, die 1997 von dem Ethnologen Holger Jebens auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Hoskins-Halbinsel gesammelt wurden.

Die hier ausgewählte Maske wurde im Juli 1997 in Vavua angefertigt. Sie zählt zu den größten Exemplaren der Sammlung und wird in der Lokalsprache als valuku ururu bezeichnet. Die Grundkonstruktion aus Holzstäben hat eine längliche, ellipsenartige Form und ist mit Rindenbaststoff bespannt. Dieser wird aus der Rinde meist von Maulbeergewächsen gewonnen. Der unter der äußeren Barke befindliche Bast wird abgelöst, gewässert und anschließend geklopft, so dass ein Stoff entsteht, der über das Maskengestell gezogen werden kann. Die Bespannung ist rot grundiert und mit farbenfrohen Mustern verziert, die frontal betrachtet ein Gesicht andeuten. Mit einem dazu gehörigen Palmblattumhang getragen bildet jede Maske ein Ganzkörperkostüm, das ein Geistwesen darstellt, seinen menschlichen Träger vollkommen verhüllt und somit unkenntlich macht. Die grellen, industriell gefertigten Farben zeigen den westlichen Einfluss auf die lokale Kultur, der aber auch zu Veränderungen des gesamten Maskentanzes und der damit verbundenen Tradition geführt hat.

Bis in die Mitte der 1950er Jahre wurden derartige Kostüme einmal im Jahr, immer vor der Regenzeit, für einen Zyklus von Maskentänzen hergestellt. Die Tanzaufführungen sollten Erkältungen und Grippeepidemien fernhalten. Die Maskenherstellung und -aufführung begann stets im Norden der Halbinsel und wurde der Reihe nach in allen Küstendörfern fortgeführt, bis der Zyklus schließlich im Süden endete und im darauffolgenden Jahr wieder im Norden begann. Nach jedem Aufführungszyklus ließ man die Kostüme im Wald zerfallen, so dass sie jedes Jahr neu produziert wurden. Es gab dabei verschiedene Kategorien von Masken, die sich in Größe, Gestalt und Bemalung unterschieden. Sie hatten während der Tänze unterschiedliche Aufgaben, wie Erschrecken, Disziplinieren, Belehren und Belustigen. Die Maskentypen und -muster befanden sich jeweils im Besitz bestimmter Verwandtschaftsgruppen und waren durch die Berufung auf Geistwesen legitimiert. Nur besonders spezialisierte und autorisierte Männer waren zur Konstruktion und Vorführung der Kostüme berechtigt. Vor Frauen und Kindern wurden die Herstellungs- und Verwendungspraktiken geheim gehalten.

Als Teil der Ethnographischen Sammlung dokumentieren die Masken die sich wandelnde Forschungspraxis des Frobenius-Instituts, dessen Mitarbeiter während Feldforschungsaufenthalten immer auch die Sammlung ergänzen und erweitern. Noch bis weit ins letzte Jahrhundert hinein war die ethnologische Sammelpraxis häufig von der Motivation geleitet, lokale Kulturen vor dem Untergang zu bewahren. Unter dem Begriff der „Rettungsethnologie“ wurde das Anlegen von Sammlungen – also die Akkumulation fremder Objekte zum Zweck der Konservierung von materieller Kultur – legitimiert. Auch die Maskentänze haben sich in den letzten Jahren in der Tat merklich verändert: Geheimhaltung, Exklusivität und die Regelmäßigkeit ließen nach und zunehmend verwendete man auch westliche Materialien. Zur Zeit des Forschungsaufenthalts von Holger Jebens auf der Hoskins-Halbinsel wurden die Masken nicht mehr regelmäßig und traditionell durchgeführt – nur angeregt durch die Anwesenheit des Ethnologen ließ man die Tradition wieder aufleben. Dennoch werden die Masken heute in der ethnographischen Forschung des Instituts nicht als übrig gebliebene und wiederbelebte Elemente einer in Vergessenheit geratenen oder untergegangenen Vergangenheit gesehen, die es zu bewahren gilt. Sie gelten vielmehr als Zeugnisse eines aktuellen kulturellen Selbstbewusstseins, wurden sie doch unter Betonung ihrer Schönheit und Einzigartigkeit bewusst präsentiert und an den Ethnologen übergeben.

Nur auf Grund der Anwesenheit des Wissenschaftlers produzierten die Bewohner der Hoskins-Halbinsel die Masken und führten sie vor, und nur so konnte die Idee entstehen, sie mit nach Frankfurt zu nehmen. So ist die Sammlung der Tanzmasken ein Ergebnis des Zusammenwirkens von Ethnograph und Ethnographierten und gleichzeitig ein Beleg für die Auflösung von ehemaligen Paradigmen und Hierarchien einer Disziplin.

Nina Huber war im Sommersemester Studentin der Curatorial Studies. Der Text ist entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“.

Literatur

Holger Jebens: Kago und kastom: zum Verhältnis von kultureller Fremd- und Selbstwahrnehmung in West New Britain (Papua-Neuguinea), Stuttgart 2007.

Holger Jebens: Ethnographisches Sammeln und kulturelle Selbstrepräsentation im Südpazifik, in: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, Anthropologie und Urgeschichte, 31 (2010), S. 57–72.

Holger Jebens: Starting with the law of the tumbuan: masked dances in West New Britain (Papua New Guinea) as an appropriation of one´s own cultural self, in: Anthropos, 98 (2003), S. 115–126.