von Arne Mrotzek
„Wer von Euch kennt Godins Märchenbuch?“, fragt Benjamin in seiner Berliner Spielzeugwanderung, einem Rundfunkbeitrag für Kinder, bevor er das im Buch enthaltene Märchen Schwester Tinchen nacherzählt und als Anlass nimmt, um mit seinem Hörpublikum einen Streifzug durch die Berliner Spielwarenhäuser zu unternehmen. Das Märchenbuch, das schon damals den meisten Zuhörer:innen nichts mehr sagte, war in Benjamins Kinderstube vorhanden. Und Amélie Godins Arbeiten, so lernt man in einem Brief Walter Benjamins an Gershom Scholem vom 13. Januar 1920, waren für das Ehepaar Benjamin die gemeinsame Lieblingssammlung von Märchen. Auch in der Kinderbuch- sammlung Benjamin findet sich noch ein Buch Godins.
Aber die Suche nach dem Märchenbuch, nach welchem sich Benjamin bei den Kindern erkundigte, ist vergeblich. Sein Fehlen verdeutlicht ganz gut, dass mit Sammlungen immer auch Verlustgeschichten einhergehen, die zwar zu Mutmaßungen einladen, sich dann aber oft nicht nacherzählen lassen.
Zugang zum vollständig digitalisiertem Buch erfolgt unter diesem Link.Arne Mrotzek ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im FID Allgemeine Vergleichende Literaturwissenschaft der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main. Die Objekterzählung entstand im Rahmen der Ausstellung "ein/aus gepackt: Kinderbuchsammlung Benjamin" (Oktober 2022-Februar 2023), in der ausgewählte Bücher der Sammlung aus unterschiedlichen fachlichen und persönlichen Perspektiven kommentiert wurden.