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Archäobotanische Vergleichssammlung – Institut für Archäologische Wissenschaften, Abt. III

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Holzdünnschnitt eines Sheabaumes

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Signatur

JWGw 1108 (ehemals SFB W.Afrika Nr. 1108)

Urheber

Gulla Schenk

Datierung

1994

Maße

2,6 x 7,6 cm

Material

Holz, Glas, Einbettungsmaterial

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Holzdünnschnitt eines Sheabaumes

Von Holz(kohle) zum Sheabaumpark

von Dr. Alexa Höhn und apl. Prof. Dr. Astrid Stobbe

Pinkfarbene Rechtecke hinter Glas – was kann das sein? Das Objekt des Moments offenbart seine Geheimnisse eigentlich erst unter dem Mikroskop, aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch mit dem „unbewaffneten“ Auge, dass jedes Rechteck, jeder Schnitt, eine andere Struktur aufweist, links Pinselstriche, rechts helle Tupfen oder Poren, in der Mitte lange helle Streifen. Das Etikett verrät, dass es sich um botanisches Material aus Westafrika handelt. Aber was ist es genau? Nun, es handelt sich um ein mikroskopisches Präparat von Holzdünnschnitten, das unter einem Durchlichtmikroskop zu betrachten ist. Bei hundertfacher Vergrößerung offenbaren sich die Details der Holzstruktur des Sheabaumes, heute wissenschaftlich Vitellaria paradoxa, einem Sapotengewächs (Sapotaceae). Noch vor bald 30 Jahren, als dieses Präparat hergestellt wurde, war ein anderer Name für den Sheabaum gültig - Butyrospermum paradoxum - so steht es auch auf dem Etikett.

Die drei Dünnschnitte sind auf einem Objektträger fixiert, eingebettet in Naturharz, das bei der Herstellung der Präparate intensiv nach Eukalyptus und Campher riecht. Die Schnitte selbst sind keinen halben Millimeter dick. Safranin färbt ihre verholzten Zellwände rosarot. Drei Schnitte müssen sein, nur dann sind alle Feinstrukturen des Holzes zu erfassen: Der Querschnitt liegt rechts neben dem Etikett, auf ihm sind „Poren“ und Holzstrahlen sichtbar. Ganz oben rechts sogar das Mark, das Zentrum des Astes, von dem die Schnitte stammen. Daneben liegen die beiden Längsschnitte, links der Radialschnitt, er wurde auf die Mitte hin, entlang der Holzstrahlen geschnitten, während der mittlere, der Tangentialschnitt senkrecht dazu verläuft. In ihm ist oben, mit den rundlicheren Strukturen, sogar den Ansatz eines Zweiges erfasst. Unter dem Mikroskop können die Archäobotanikerinnen des Instituts für archäologische Wissenschaften an den Schnitten alle Merkmale des Holzes erkennen. Stimmen diese mit den Holzkohlefragmenten von wenigen Millimetern Größe aus archäologischen Grabungen überein, dann gelingt der Nachweis von Shea auch für die Vergangenheit. Shea, auch Karité genannt, ist ein wichtiger Nutzbaum in den afrikanischen Savannen, von Senegal bis nach Uganda. Als Ölbaum („Sheabutter“) geschätzt und geschützt, ist er wichtiges Element der westafrikanischen Kulturlandschaft und wird durch den Menschen gefördert. Seine Zunahme im archäobotanischen Fundgut zeigt den zunehmenden Einfluss des Menschen auf die Vegetation an.

Holzstück eines weiteren Belegs von Vitellaria paradoxa (JWGw 1105) in der Archäobotanischen Vergleichssammlung. Die dicke Borke schützt den Baum bei Savannenbränden während der Trockenzeit. Auch von diesem Objekt gibt es einen Dünnschnitt in der Sammlung (Foto: Gaby Försterling).

Das Holz des vorgestellten Präparats stammt aus Burkina Faso. Im Südwesten des Landes, in einem Feld, trennte Adjima Thiombiano, heute Professor für Botanik an der Universität von Ouagadougou, im Mai 1994 den Ast von einem Sheabaum. Um die Bestimmung des Baumes zu beweisen, nahm er einen Herbarbeleg, einen Trieb mit Blättern und Blüte vom Baum. Getrocknet liegt dieser im Herbar der Universität von Ouagadougou. Das Aststück gab er den Archäobotanikerinnen aus Frankfurt mit, denn archäobotanische Forschungen gibt es in Ouagadougou nicht. Das Holz wurde so Teil der Archäobotanischen Vergleichssammlung der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie im Institut für Archäologische Wissenschaften in Frankfurt. Hier finden sich eine Vielzahl weiterer Pflanzenteile aus Afrika und Eurasien, Holzstücke und Dünnschnitte, aber auch Früchte und Samen, zudem winzig kleine Pflanzenteile wie Pollen (Blütenstaub) und Phytolithe (kleine Kristalle aus Siliziumdioxid (SiO2). Alle dienen als Vergleichsmaterial bei der Bestimmung von archäobotanischem, also oft viele Jahrtausende altem Pflanzenmaterial aus archäologischen Grabungen und ihrem Umfeld. Die Archäobotanische Vergleichssammlung ist außergewöhnlich, denn gut finanzierte archäobotanische Forschungen im subsaharischen Afrika sind nach wie vor rar. Afrikanisches Material in dieser Vielzahl und Menge gibt es deshalb in Europa und Nordamerika in keiner weiteren Sammlung, und so zieht es Gastwissenschaftler aus aller Welt, Doktoranden, Postdocs und Professorinnen, nach Frankfurt, um ihre Funde mit dem Sammlungsmaterial abzugleichen. Auch das DFG-finanzierte Projekt „Kultivierte Landschaften“, das zur Frage der Entstehung von Kulturlandschaften in afrikanischen Savannen arbeitet, kann europaweit nur hier an der Goethe-Universität angesiedelt sein, denn ohne deren Holzdünnschnitte wären diese Forschungen unmöglich.

Dr. Alexa Höhn und apl. Prof. Dr. Astrid Stobbe sind Archäobotanikerinnen an der Goethe Universität Frankfurt. Der Text entstand als "Objekt des Moments" im Leporello #14.