© Dr. Felix Giesa
von Dr. Felix Giesa
In den 1990er Jahren entstanden mit den Alternative Comics eine Keimzelle eines neuen graphischen Erzählens. Hier wurde massenhaft mit aller psychologischen Härte die Perspektivenlosigkeit einer ganzen Generation visuell seziert und in Comicform gebannt. Eine der schonungslosesten und heute gemeinhin eher apokryphen Heftserien in diesem Metier war Jeff LeVines No Hope.Zwischen 1994 und 1997 versammelten drei Hefte beim Berliner Verlag "Jochen Enterprises" die insgesamt neun originalen, in den USA erschienenen Heftchen (1993-1995, Slave Labor Graphics). In No Hope erzählt LeVine vingettenartig aus dem schockierend langweiligen Leben der Generation X. Zwar gut ausgebildet, aber ohne wirklich Chancen auf gesellschaftlichen Aufstieg dümpeln die Figuren lethargisch vor sich hin. Dazu passen die schwarzen, flächigen Zeichnungen, die lediglich mit krakeligen Strichen den Figuren überhaupt irgendeine Form von Kontur verleihen.
Das Narrativ der von sich selbst gelangweilten (amerikanischen) Gesellschaft in den 1990er Jahren ist natürlich nicht nur in No Hope erzählt worden. Doch wo Steve Martin im Film L.A. Story(1991) nur ein „Bored beyond belief“ an die beschlagene Duschscheibe schreibt, schneidet sich Kathy bei LeVine das „bored“ mit der Rasierklinge in den Unterarm. Und wo sich die jungen Ethan Hawke und Wynona Ryder in Reality Bites(1994) zwar durchaus nihilistisch treiben lassen, aber doch am Ende hoffnungsfroh - und mit einem MTV Movie Award ausgezeichnet - küssen, findet sich in No Hope nur Einsamkeit und Langeweile. Alles - Arbeit, Alkohol, Drogen oder auch Sex - bedeuten nur die immer gleiche Lähmung, einen Fortschritt ermöglichen sie nicht. So ist No Hope einerseits ein schonungsloses Zeitbild der 1990er Jahre; es liest sich in der Rückschau aber auch wie eine düstere Vorahnung auf bevorstehende Jahrzehnte.
No Hope, Ironie der Geschichte, wurde bei Erscheinen übrigens nur - oder immerhin? - in der taz besprochen. Aber das durchaus sehr wohlwollend.