von Judith Blume
Zurück aus dem Exil widmete sich das 1950 wieder eröffnete Institut für Sozialforschung in einer groß angelegten Studie den Einstellungen der bundesdeutschen Bevölkerung hinsichtlich Krieg, Demokratie und den Verbrechen des Nationalsozialismus. Um auch die sonst öffentlich nicht artikulierten Emotionen mit einzubeziehen, entwickelten die Institutsmitglieder neue Forschungsmethoden und kombinierten standardisierte Einzelbefragungen erstmalig mit Gruppendiskussionen. Ausgangspunkt der Diskussion war ein sogenannter »Gruppenreiz«, der durch seinen provokanten Inhalt eine emotionale Diskussion in Gang setzen sollte. Ein fingierter Leserbrief eines ehemaligen amerikanischen Sergeanten, der von TheodorW. Adorno (1903 – 1969) mit englischem Akzent auf eine Schallplatte aufgesprochen wurde, schildert dessen angebliche Erfahrungen in Deutschland. Ausdrücklich wurde die Diskussionsleitung dazu aufgefordert, affektive Äußerungen zu fördern. Die Diskussionen wurden auf Tonband aufgezeichnet und transkribiert. Grafische Darstellungen fassten die Ergebnisse der Auswertung zusammen, die 1955 unter dem Titel Gruppenstudie. Ein Studienbericht veröffentlicht wurden. Sämtliche Forschungsunterlagen befinden sich heute im Archiv des Institutes und geben nicht nur Einblick in die Mentalität der frühen Bundesrepublik, sondern auch in die Forschungsmethoden der Sozialwissenschaft.
Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.