von Vera Hierholzer
»Praktische Vorurteile, die so allgemein im gemeinen Leben ausgebreitet sind, pflegen gewöhnlich doch einiges wahre und gegründete zur Stütze zu haben«, bemerkte Samuel Thomas von Soemmerring (1755 – 1830) in der Vorrede zu seiner Abhandlung Über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer. Der Mediziner suchte dem gängigen Vorurteil seiner Zeit, Afrikaner seien weißen Menschen unterlegen, eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Gestützt auf vergleichende Sektionen und Schädelvermessungen identifizierte Soemmering anatomische Merkmale der »Mohren«, die diese seiner Ansicht nach von den »Europäern« unterschieden und sie als Übergangsform zwischen Affen und Menschen kennzeichneten. Seine teils abenteuerlichen Beobachtungen und Rückschlüsse zeugen deutlich von seiner voreingenommenen Sicht, seinem zeittypisch hierarchischen Rassenverständnis, das maßgeblich von den Bemühungen geprägt war, den massenhaften transatlantischen Sklavenhandel zu legitimieren. Alternative Sichtweisen und Kritik an den vor allem moralisch und ästhetisch begründeten Rassenklassifikationen setzten sich vorerst nicht durch. Vielmehr fanden der wissenschaftliche Rassismus wie auch dessen Methoden und Leitlinien eine Fortschreibung bei Medizinern, Anthropologen und Philosophen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.