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von Vera Hierholzer
Als »Weiberbibeln« wurden Werke wie dieses gerne bezeichnet. Sie richteten sich aber nicht nur an jüdische Frauen, sondern auch an die »ungelehrten « Männer, also jene, deren Hebräischkenntnisse nicht für das Studium des rabbinischen Schrifttums ausreichten. Die »Weiberbibeln« übersetzten die biblischen Geschichten des Pentateuch, der Fünf Bücher Mose, ins Jiddische und verbanden sie mit Erklärungen und Erzählungen aus der gesamten jüdischen Literatur. Die zahlreichen religiösen Vorschriften und Gesetze des Pentateuch ließen sie jedoch weg. Besonders gern wurden sie am Schabbat zur religiösen Belehrung und Erbauung im Kreis der Familie vorgelesen. Erstmals zu Beginn des 17. Jahrhunderts publiziert, erschien dieses nach einem Zitat aus dem Hohen Lied als Tse’enah u-re’enah (»Geht und seht«) betitelte Werk bis zum 19. Jahrhundert in über 200 Auflagen und erfuhr große Verbreitung und Popularität in Europa. Das vorliegende Exemplar ist ein Sulzbacher Druck aus dem Jahr 1732. Der ursprüngliche Text wurde im Lauf seiner langen Wirkungsgeschichte sprachlich und inhaltlich immer wieder verändert. Er bietet somit ein besonderes Zeugnis der jiddischen Sprachgeschichte und illustriert zugleich die zeitgenössische Auffassung der jüdischen Tradition. Das Werk wird vor allem in den USA und Israel bis heute nachgedruckt und rezipiert.
Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.