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In der Sammlung

Edda-Sammlung – Institut für Skandinavistik

Weitere Objekte in dieser Sammlung

„Thor og Gjøgleriet i Utgaard“ (Thor und die Gaukelei in Utgard)

Kategorien

Urheber

Niels Hansen Jacobsen

Datierung

1891

Maße

380 x 16 9x 183 cm

Material

Gips

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„Thor og Gjøgleriet i Utgaard“ (Thor und die Gaukelei in Utgard)

© Maya Großmann

Warum schafft es der Riesenbezwinger Thor nicht, eine kleine Katze hochzuheben?

von Maya Großmann

Durchsucht man die Datenbank der Edda-Sammlung des Instituts für Skandinavistik der Goethe-Universität unter dem Stichwort »Thor«, stößt man auf eine Vielzahl von Datensätzen. Verzeichnet sind auch Fotografien von Kunstwerken, die den nordischen Gott abbilden, darunter eine Arbeit des dänischen Bildhauers Niels Hansen Jacobsen (1861 – 1941). Er formte 1891 die Plastik Thor og Gjøgleriet i Utgaard (Thor und die Gaukelei in Utgard). Sie gibt eine Erzählung aus der Gylfaginning wieder, dem ersten Teil der Edda des Snorri Sturluson (circa 1225). Diese berichtet, wie sich Thor nach Utgard begibt, zum Wohnsitz der Riesen, vor deren Angriffen er die Götter mit seinem Hammer beschützt. Dort stellt ihm der Riese Utgardloki verschiedene Aufgaben. Hansen Jacobsen gestaltete jenen Teil der Erzählung, in dem Thor eine Katze hochheben soll. So lächerlich die Herausforderung zu sein scheint, Thor gelingt es nicht, mehr als einen Fuß des Tiers vom Boden abzuheben. Später stellt sich heraus, dass Utgardloki ihn mit einer unlösbaren Aufgabe konfrontiert hat: Bei der Katze handelt es sich um die Midgardschlange – eines der eschatologischen Ungeheuer der nordischen Mythologie –, die mit ihrem Schlangenkörper die gesamte Welt umspannt, aber manchmal in Gestalt einer Katze auftritt. So zeugt es schließlich eben von Thors Stärke, dass er diese Katze zumindest ein wenig anzuheben vermag.

Als Zeugnis für die Rezeption der nordischen Mythen wurde die Plastik in die Edda-Sammlung aufgenommen, deren Ziel es ist, das Nachleben der nordischen Mythologie seit dem Mittelalter bis heute anhand heterogener Objekte zu dokumentieren. Bücher, Grafikmappen, Musikalien, Tonträger sowie diverse Objekte der Alltagskultur, etwa Postkarten, Werbeannoncen, Propagandamarken oder Produktverpackungen, werden in einen Zusammenhang gebracht, in dem sie sich thematisch gegenseitig erhellen: als Zeugnisse für die Wahrnehmung nordischer Mythen.

Durch eine Datenbank, welche den Bestand digital erschließt und mit weiteren Rezeptionszeugnissen auch außerhalb der Sammlung in Verbindung bringt, können die Objekte über Mediengrenzen hinweg in Beziehung gesetzt und kontextualisiert werden. Eben diese Verknüpfung ermöglicht Erkenntnisse, welche ohne eine solche Bündelung nicht generiert werden könnten.

Sehr häufig steht, wie im Fall von Hansen Jacobsens Plastik, der Edda-Sammlung das Original nicht zur Verfügung. Deshalb behilft sie sich mit einer möglichst ausführlichen Dokumentation des Werks durch digitale Reproduktionen. Zusätzlich werden in der Datenbank alle erreichbaren Hintergrundinformationen – wie Provenienz, Entstehungs- und Aufbewahrungsort et cetera – gebündelt.

Die Plastik Hansen Jacobsens ist ein gutes Beispiel für den Wert, den die Edda-Sammlung für Forschungen zur Aufnahme der nordischen Mythologie durch die bildende Kunst hat. Die Datenbank verzeichnet nämlich gattungsübergreifend Abbildungen verschiedenster Werke, welche den hier bildhauerisch umgesetzten Mythos ebenfalls illustrieren – darunter auch Objekte, die in der Sammlung selbst vorliegen. So wird der Forscher beispielsweise von Jacobsens Skulptur auf eine Mappe mit Drucken des dänischen Malers, Illustrators, Zeichners und Grafikers Lorenz Frølich (1820 – 1908) verwiesen. Diese enthält unter anderem einen Druck von 1872, auf welchen Hansen Jacobsen mit seiner Plastik Bezug nahm. Trotz des medialen Unterschieds bestehen zwischen den beiden Werken Analogien. Dies liegt nicht nur daran, dass der Kern der Mythenerzählung in beiden Arbeiten zu finden ist. Vielmehr orientierte sich Jacobsen stilistisch und situativ an dem Druck Frølichs: Beide Werke schildern denselben Moment der Erzählung, das Hochheben der Midgardschlange, und weisen überdies eine ähnliche Ästhetik auf. Jacobsen bezog sich also nicht nur auf den schriftlich in der Gylfaginning überlieferten Mythos, sondern zugleich auf dessen Illustration durch Frølich. Durch die direkte Gegenüberstellung der beiden Arbeiten wird dies deutlich.

So ermöglicht die Edda-Sammlung nicht nur einen umfassenden Einblick in das Werk eines kaum bekannten dänischen Bildhauers, sie kann durch Vergleiche mit anderen Darstellungen auch helfen, die Frage zu beantworten, warum es dem Riesenbezwinger Thor nicht gelingt, eine kleine Katze hochzuheben.

Maya Großmann war 2014 Doktorandin der Skandinavistik. Der Text entstand im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe Universität“ und wurde im Katalog veröffentlicht veröffentlicht. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Arnulf Krause (Hg.): Die Edda des Snorri Sturluson, Stuttgart 1997.

Niels Th. Mortensen: Niels Hansen Jacobsen, Odense 1945.

Teresa Nielsen: NHJ. Billedhugger Niels Hansen Jacobsen, Vejen 2011.