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Comic-Archiv – Institut für Jugendbuchforschung

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Akim – Neue Abenteuer: Die Insel der Verlorenen (Heft 163)

Kategorien

Signatur

Sign. C 11377.163

Urheber

Hansrudi Wäscher

Datierung

um 1957

Maße

H 7,5, B 17 cm

Material

Papier

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Akim – Neue Abenteuer: Die Insel der Verlorenen (Heft 163)

© Foto: Tom Stern, Copyright: Abt. Marketing und Kommunikation, Goethe-Universität

Akim – Neue Abenteuer

von Anja Fröhlich

Deutliche Gebrauchsspuren sind an dem kleinen Comicheftchen zu sehen, es muss durch viele Kinderhände gewandert sein. Bis in die Fingerspitzen gespannt – was geschieht wohl als nächstes? – wurden die Seiten umgeblättert. Manchmal anscheinend zu ruppig, denn die letzte Seite ist eingerissen. Auf den Umschlag tropfte schon vor einiger Zeit weiße Farbe, und dass das Papier nach über 50 Jahren vergilbt ist und zerfleddert wirkt, liegt auch an seiner minderen Qualität. Nur die Papierqualität des Umschlags musste hochwertiger sein, damit er farbig bedruckt werden konnte und so die Aufmerksamkeit der Adressaten erregte: 20 Pfennig mussten Kinder um 1957 für diese Ausgabe von Akim aufbringen, um mit ihm und seinen Freunden, dem Gorilla Kar und dem Affen Zig, allerlei Abenteuer gegen böse Schurken erleben zu können.

Die Serie Akim – Neue Abenteuer, ursprünglich gezeichnet von Augusto Pedrazza (1923 – 1994), wurde zuerst aus dem Italienischen übersetzt und vom Walter Lehnin Verlag herausgegeben. Als es jedoch zum Streit zwischen dem deutschen Verleger und dem italienischen Verlag kam, wurde die Serie von dem deutschschweizerischen Comiczeichner Hansrudi Wäscher (*1928) weiter gezeichnet. Auch wenn das Heftchen wie viele Comics nicht datiert ist, lässt sich sein Erscheinen heute auf die Zeit um 1957 festlegen. Einen Hinweis liefert beispielsweise der Name des Protagonisten, denn Akim heißt hier noch nicht Tibor. Wegen der Weigerung des Lehnin Verlages, Geld an die italienischen Lizenzinhaber zu zahlen, musste Wäschers fortgesetzter Comic ab 1959 in Tibor – Sohn des Dschungels umbenannt werden.

Eine Datierung des Piccolo-Heftchens ist außerdem durch das FSS-Prüfsiegel möglich. Die Freiwillige Selbstkontrolle für Serienbilder (FSS) prüfte erstmals im Mai 1955 Comicserien und war vom Verband deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftengrossisten ins Leben gerufen worden – als Reaktion auf die Verbote der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und der Überantwortung einer händlerischen Prüfungspflicht gegen- über dem Einzelhändler. Dieser war nun strafrechtlich verantwortlich für das, was er an seinem Kiosk verkaufte. Um den Indizierungen zuvor zu kommen, griff die FSS teilweise stark in das originale Text- und Bildmaterial ein, wodurch es zu unfreiwillig komischen Ergebnissen kam: Ein Bösewicht bedroht den Helden mit einer unsichtbaren Pistole oder sackt ohne einen finalen K.O.-Schlag kraftlos zu Boden. Damit folgten die Comicverlage dem Vorbild amerikanischer Verlage, die die Selbstzensur als Reaktion auf die schon früh aufgekommenen Anti-Comic-Kampagnen eingeführt hatten. Doch auch mit Prüfsiegel galten Comics weiterhin als Schund, und man konnte ab 1954 bei ver- schiedenen Aktionen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften die »Schund- hefte« gegen »gute« Jugendliteratur eintauschen. Die so eingesammelten Hefte wurden dann dem 1963 gegründeten Institut für Jugendbuchforschung der Goethe-Universität angeboten und bildeten die Grundlage der heutigen Sammlung.

Akims Nachfolger Tibor wurde 1963 in den Ruhestand geschickt, fünf Jahre vor dem Konkurs des Walter Lehnin Verlages. Heute hat Akim sein Zuhause in den Archivkästen des Comic-Archivs im Kellergeschoss des IG- Farben-Hauses. Aller Prüfsiegel und Selbstzensierung zum Trotz konnten Akim und seine Freunde nicht vollkommen rehabilitiert werden und dienen heute als Beispiel für die bizarren Ergebnisse, die ein aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbares Eingreifen in das Originalmaterial verursachen kann. Akim schlummert derweil weiter und wird nur manchmal durch Studenten oder Forscher in seinem Schlaf gestört.

Anja Fröhlich war im Wintersemester 2012/13 Studentin der Geschichte. Der Text entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“ und wurde im Katalog der Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe Universität“ veröffentlicht. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Alfred Clemens Baumgärtner: Die Welt der Comics. Probleme einer primitiven Literaturform, Bochum 1965.

Bernd Dolle-Weinkauff: Comics. Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945, Weinheim, Basel 1990.

Bernd Dolle-Weinkauff: Vom Kuriositätenkabinett zur wissenschaftlichen Sammlung. Das Comic-Archiv des Instituts für Jugendbuchforschung der Goethe-Universität Frankfurt/Main, in: Imprimatur, NF, 19. Jg. 2005, S. 209–224.

Andreas C. Knigge: Fortsetzung folgt. Comic-Kultur in Deutschland, Frankfurt a. M., Berlin 1986.

Günter Metken: Comics, Frankfurt a. M. 1970.