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Koloniales Bildarchiv – Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg

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Schule in Togo

Kategorien

Signatur

StuUB Bildnr. 035-3510-20

Urheber

Reinhold Schober

Datierung

ca. 1933–1937

Maße

Kleinbild Negativ-Rollfilm: H 3,5, T

Material

Unzerschnittener Kleinbildfilm

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Schule in Togo

© Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg

Eine Uniform für den Togo

von Kokou Azamede

Das Bild aus dem Frankfurter Bildarchiv der Deutschen Kolonialgesellschaft zeigt eine Klasse von Schüler/-innen auf dem Schulhof, die sich unter der Betreuung eines elegant gekleideten Lehrers in zwei Reihen aufgestellt haben. Mit dynamischer Bewegung schlenkern sie mit den Armen, möglicherweise schreiten oder marschieren sie. Dem Ausdruck ihrer Gesichter zufolge scheinen sie Spaß daran zu haben. Die Schüler tragen Uniformen, die Mädchen weiße Oberteile, drei von ihnen einen Hut. Die Jungen sind mit einer weißen Hose und einem schwarzen Jackett über einem weißen Hemd bekleidet. Es sieht so aus, als ob alle barfuß laufen.

Die Szene spielt sich vor einer Missionsschule in Togo ab. Links auf dem Bild ist das Schulgebäude zu erkennen, das einen Verwaltungsraum und mindestens zwei große Klassenräume umfasst. Entlang der Terrasse vor dem Gebäude sind Blumen gepflanzt. Der Schulhof ist mit Holzstöcken und auf dem Bild kaum erkennbaren Stacheldrähten eingezäunt. Am Eingang des Hofs, vor dem Zaun, steht ein Junge, der die Schüler beobachtet. Es ist vorstellbar, dass er die Szene mit Bewunderung oder gar mit Neid verfolgt. Er ist kein Schüler, sein Körper umhüllt ein großes Tuch, das möglicherweise aus lokaler Produktion stammt. Auf der Terrasse stehen zwei kleine Kinder, die den Auftritt der Kinder ebenfalls verfolgen. Man fragt sich, in welcher Weise sie die beobachtete Szene wahrnehmen.

Das Bild zeigt die von Missionsgesellschaften geförderte, europäische Bildungsstruktur in Togo. Die Schule galt den Missionen als Mittel zur Evangelisierung von afrikanischen „Heiden“. Bereits 1847 begann die Norddeutsche Missionsgesellschaft unter dem Ewe-Volk zwischen Deutsch-Togo und dem britischen Gold-Coast (heute Ghana) mit ihren Aktivitäten. In die Missionsschulen konnten anfangs nur die meist aus anderen Gebieten stammenden Kinder empfangen werden, die Missionare bei Sklavenhändlern frei- bzw. loskauften und in Missionsstationen unterhielten, da die Ewe der Mission gegenüber misstrauisch waren. Die Lage änderte sich in den 1870er Jahren.

Die Unterrichtsfächer waren Lesen, Schreiben, Turnen und Bibelunterricht. Der Unterricht fand anfangs auf Englisch statt, bis die erforschte und 1856 verschriftete Ewe-Sprache zur Unterrichts- und später auch zur Kirchensprache wurde. Die deutsche Kolonialadministration hielt sich lange vom Schulwesen fern und verbot aus rassistisch-ideologischen Gründen die Anwendung und Vermittlung der deutschen Sprache in den Schulen. Erst im Jahre 1905 wurde Deutsch zur einzigen offiziellen Unterrichtssprache in Togo. Als das Schulwesen unter die Kontrolle der deutschen Kolonialverwaltung trat, wurden die Lehrpläne so konzipiert, dass die Lernenden nur europäisch-kulturelle Werte und christliche Lebensweise vermittelt bekamen. Im Mittelpunkt der Schultätigkeiten stand der kulturelle Anpassungsprozess (Akkulturation). Die Schule wurde ein Experimentierfeld der preußischen kulturellen Verhaltensweise, wobei die Schüler gewisse Tugenden wie Disziplin durch das Fach Turnen erwarben. Turnen ging mit Marschieren zusammen. Möglicherweise zeigt das Bild eine solche Übung. Das Aufnahmejahr der Fotografie ist nicht bekannt. Der Fotograf, Dr. Reinhold Schober war zwischen 1933 und 1937 in Togo und Kamerun. Wahrscheinlich ist das Bild genau in diesem Zeitraum aufgenommen worden. Da die Schule in einem bergigen Ort liegt, könnte es sich um eine alte Missionsschule in Amedzope oder Akpafu handeln. Missionsgesellschaften errichteten ihre Stationen häufig in Gebieten mit kühlerem Klima, so wie es in den Bergen herrscht.

Die europäische Bekleidungsart in Gestalt der Uniform diente dazu, den Schülern nicht nur einen Sinn für Ordnung und Sauberkeit zu vermitteln, sondern sie sollte ihnen zudem das Gefühl geben, dass sie bessere oder höhere kulturelle Werte verkörperten. Der Schulbesuch war ein Zeichen des Einstiegs in eine Modernität, in deren Mittelpunkt das europäische Wissen und die christliche Verhaltensweise standen. Beides zusammen führte dazu, dass die Schüler/-innen sich von ihren eigenen kulturellen Wurzeln entfernten. Die bewunderungsvolle Beobachtung des Jungen vor dem Zaun zeigt deutlich, dass er die Mädchen und Jungen genau unter diesem Blickwinkel wahrnimmt: Sie verkörpern ein anderes Leben, das der Moderne angehört. Schule war also der Ort, wo die frühere eigene Identität leicht negiert wurde. Das in dieser Weise so bedeutungsvolle Tragen von Uniform ist bis heute in fast allen Schulen in Togo und Ghana Pflicht.

Kokou Azamede ist Kulturwissenschaftler an der Universität von Lomé und war 2013 Stipendiat der Fritz Thyssen Stiftung am Institut für Ethnologie der Goethe-Universität. Der Text entstand im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe Universität“ und wurde im Katalog veröffentlicht. Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.

Literatur

Kokou Azamede: Transkulturationen? Ewe-Christen zwischen Deutschland und Westafrika, 1884–1939, Stuttgart 2010.

August Wilhelm Schreiber: Bausteine zur Geschichte der Norddeutschen Missionsgesellschaft, Bremen 1936.

Peter Sebald: Togo 1884–1914. Eine Geschichte der deutschen „Musterkolonie“ auf der Grundlage amtlicher Quellen, Berlin 1988.

Peter Sebald: Die deutsche Kolonie Togo 1884–1914. Auswirkungen einer Fremdherrschaft, Berlin 2013.