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In der Sammlung

Oswin-Köhler-Archiv (OKA), Forschungs- und Dokumentationsstelle für Nachlässe in der deutschen und internationalen Afrikanistik – Institut für Afrikanistik

Weitere Objekte in dieser Sammlung

Zeichnung einer Löwin

Kategorien

Signatur

Inv.-Nr. OKA-Z 277

Urheber

Mbongi

Datierung

30. August 1962

Maße

DinA 5

Material

Rötel auf Papier, Schreibmaschinenaufdruck

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Zeichnung einer Löwin

© Oswin-Köhler-Archiv

Punkt Punkt Komma Strich...

von Charlotte Rottmair

... fertig ist das Mondgesicht. Ein einfacher Spruch, der als Anleitung, zum Zeichnen eines Gesichtes dient. Fast jeder hat als Kind schon einmal das bekannte Mondgesicht gemalt. Mit nur vier Strichen konzentriert sich die Zeichnung auf die wichtigsten Elemente eines Gesichtes. Auch sonst wird in einer Kinderzeichnung häufig das auffälligste Merkmal besonders hervorgehoben. Zum Beispiel der lange Hals einer Giraffe, der Rüssel des Elefanten oder die Mähne eines Löwen. Der hier gezeichnete Löwe befindet sich im Oswin-Köhler-Archiv an der Goethe-Universität. Die Zeichnung auf dem Papier sieht etwas unbeholfen aus, der Körper ist ungleichmäßig gezeichnet. Die Beine des Tieres erscheinen hinten etwas zu groß und vorne etwas zu klein geraten. Auch der Kopf ist in keinem naturalistischen Maßstab gezeichnet. Aber es scheint, als habe das Tier eine Mähne, die Haare am Hals weisen darauf hin. Der Schwanz des Tieres ist dünn und am Ende ist ein Haarbüschel zu erkennen. Die Pfoten sind in einer seltsamen Perspektive gemalt, als sähe man sie von unten, sie scheinen nicht recht zu dem restlichen Tier zu passen, sondern angesetzt zu sein. Am unteren Rand des Papiers ist in Schreibmaschinenschrift zu lesen „//kEE-xam (Löwin), gezeichnet von Mbongi am 30. August 1962.“

Mbongi ist ein Mann aus dem Volk der Kxoé aus Süd-West Afrika, der Oswin Köhler während seiner Feldforschungen als Informant diente. Bekannt ist, dass Oswin Köhler die Zeichnungen von Kxoé anfertigen ließ, um die Bedeutung eines Wortes, über welches sie gerade sprachen, genau erfassen zu können. Die Zeichnungen waren also eigentlich nur Nebenprodukt seiner Sprachforschung. Oswin Köhler hatte eine besondere Art die Sprache der Kxoé zu erforschen. Er unterhielt sich mit den Kxoé über ein bestimmtes Thema und zeichnete die Gespräche mit einem Tonbandgerät auf. Diese Aufzeichnungen wurden später transkribiert, übersetzt und nach Themen geordnet in einer bisher drei Bände umfassenden Enzyklopädie über Sprache und Kultur der Kxoé veröffentlicht. In dem Lexikon stehen die Berichte der Kxoé in ihrer eigenen Sprache mit jeweiliger Übersetzung ins Deutsche. Mit diesem Aufbau hebt Oswin Köhler das Selbstzeugnis der Kxoé in den Vordergrund.

Als Köhler die Kxoé beim Zeichnen betrachtete, fiel ihm auf, dass sie zuerst die Spuren eines Tieres malten und danach das Abbild des Tieres auf die Spuren setzten, was ja zunächst als eine ungewöhnliche Art erscheint, ein Tier zu zeichnen. Betrachtet man jedoch die Lebensart und Lebensumstände der Kxoé zur Zeit von Köhlers Forschung, ist es nicht länger verwunderlich, warum sie zuerst die Spuren zeichneten. Genau diese nahmen sie nämlich von Tieren als erstes wahr und kannten sie bis ins Detail. Der Lebensraum der Kxoé lag im Busch und sie ernährten sich vom Sammeln, die Aufgabe der Frauen, und vom Jagen, die Aufgabe der Männer. Waren sie unterwegs im Busch, mussten sie genau auf alle Tierspuren achten, um nicht plötzlich von einem gefährlichen Tier überrascht und angegriffen zu werden, oder um die Beute anhand ihre Spuren zu finden. Das Spurenlesen war für die Kxoé also lebenswichtig.

Oswin Köhler hat mit seiner Sprachforschung nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur der Kxoé festgehalten. Dies tat er mit allen der Forschung möglichen Mitteln. Doch sind es nicht immer die teuren Tonaufnahmegeräte oder große technische Erfindungen und Hilfsmittel, die zu einem Durchbruch in der Forschung führen. Manchmal sind es ein Stück Papier und ein Stift sowie die entstehende Zeichnung - eigentlich ein Nebenprodukt, das nur zur Verständigung dient -, die die Forschung weiterbringen. So kann eine zuerst unbedeutende Zeichnung plötzlich helfen, Unterschiede zwischen Lebensweisen zu erkennen und zu deuten.

Charlott Rottmair war im Sommersemester 2013 Studentin der Kunstgeschichte. Der Text entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung der Studiengruppe „sammeln, ordnen, darstellen“.

Literatur

Gert Beyer, Maximilian Knötziger: Wahrnehmen und Gestalten. Anleitung zur Kunst- und Werkerziehung für Eltern und Erzieher, München 1981.

Gertrud Boden: Kxoé Material Culture. Aspects of Change and its Documentation Subsistence Equipment, Working Paper 16, Köln 2000.

Gertrud Boden: Prozesse sozialen Wandels vor dem Hintergrund staatlicher Eingriffe. Eine Fallstudie zu den Khwe in West Caprivi/ Namibia, Philosophische Fakultät der Universität zu Köln 2003.

Leonhard Harding: Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, Oldenbourg Grundriss der Geschichte Band 27, München 2013.

Oswin Köhler: Die Welt der Kxoé-Buschleute im südlichen Afrika. Band 1-3, Berlin 1989.

Ulrike Schuerkens: Geschichte Afrikas. Eine Einführung, Köln Weimar Wien 2009.