von Vera Hierholzer
Das jüdische Leben wird durch die Ausübung der religiösen Gebote bestimmt, deren konkrete Umsetzung in den einzelnen Regionen oder Gemeinden über die Jahrhunderte eine eigene Prägung erhielt und zur Entwicklung zahlreicher unterschiedlicher religiöser Bräuche, Minhagim, führte. Ab dem Mittelalter kam es zu einer systematischen Sammlung und Verschriftlichung in Minhagim-Büchern, die auf eine Vereinheitlichung der Bräuche abzielten. Sie beschrieben detailliert die Abläufe der Feiertage und die verschiedenen rituellen Handlungen. Heute ermöglichen die Minhagim-Bücher einen sehr genauen Einblick in den jüdischen Alltag vergangener Jahrhunderte. Das bekannteste Werk dieser Art ist das des Rabbiners Isaak Tyrnau, das erstmals 1566 auf Hebräisch in Venedig erschien. Die erste gedruckte Ausgabe in jiddischer Übersetzung erschien 1590. Spätere Ausgaben wie diese 1722/23 in Frankfurt publizierte Fassung verwendeten Holzschnitte zur Illustration derwesentlichen Elemente der Bräuche und zur praktischen Anleitung. Die Abbildungen wurden in der Regel von Künstlern christlichen Glaubens erstellt, deren Unkenntnisse der jüdischen Gebote manchmal zu Ungenauigkeiten führten. So hat der dargestellte Chanukka-Leuchter nur sieben statt der üblichen neun Arme und ist eine Wiedergabe des siebenarmigen Leuchters im Tempel von Jerusalem.
Dieses Objekt war in der Jubiläumsausstellung "Ich sehe wunderbare Dinge. 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität" 2014/2015 zu sehen. Der erläuternde Text wurde für die Ausstellung bzw. den begleitend erschienenden Katalog verfasst.